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Zu Gast im Geisterhof Zu Gast im Geisterhof
 

 • Die Ankunft
 • Der Nachbar
 • Paranoia
 • Zu spät
 • Souvenir
 • Der weiße Tod
 • Bettlägerig
 • Das hohle Haus
 • Das Geschöpf unter der Treppe

Autor dieser Szene: Volker Pietsch
 

Das Geschöpf unter der Treppe

Ferner Lärm. Poltern, Scheppern, Schreie des Wirts.

Tom: Was ist denn jetzt wieder los?
Wirt: (von ferne) Weg mit dir! Du verfluchtes ... Haauu ab! (schreit vor Anstrengung)
Tom: Das interessiert mich jetzt doch.

Die Bettdecke raschelt.

Tom: (ächzt angestrengt, hat Mühe, sich aus dem Bett zu hieven) Au. Verdammtes Bein. Uhh ... Mir is' ja ganz schwindelig. Okay, ganz langsam an der Wand entlang.

Seine schleifenden Schritte. Er öffnet die Tür seines Zimmers, tritt hinaus auf den Flur.

Tom: Hoppla. Herr Wirt?

Unterdrückter Schrei von ferne. Weitere Schritte Toms. Knarzen, als er auf die oberste Stufe einer Holztreppe tritt.

Tom: Herr Pfandler? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?
Wirt: (entfernt) In Ordnung? Ja, natürlich, was sollte nicht stimmen? Passen Sie auf da oben, sonst fallen Sie noch die Treppe herunter!

Ein kurzes Poltern auf der Stufe.

Tom: (gibt einen angstvollen Laut von sich)
Wirt: Sehen Sie, da wäre es fast schon passiert! Warten Sie, ich komme Ihnen entgegen! Was ist denn mit Ihnen los, sind Sie krank?

Seine sich nähernden Schritte auf den ächzenden Stufen.

Tom: Ach, das geht schon, aber Sie, Herr Pfandler, Sie sehen ja so angestrengt aus!
Wirt: Wirklich? Tja, vielleicht sollte ich selbst mal Urlaub machen.
Tom: Was war das denn eben für ein Geräusch? Haben Sie vielleicht etwas gejagt?
Wirt: (sehr bestürzt) Was?
Tom: Das kleine Rattenproblem, das Sie da haben! Wieso haben Sie Herrn Akkermann eigentlich nichts von den Besonderheiten ihres Hauses erzählt? Sie wußten doch, wie sehr diese Geräusche ihn geängstigt haben! Ich sage Ihnen, wenn er dauerhaften Schaden davon nimmt ...
Wirt: Ratten. (eher erleichtert) Aaach, auf diese Lösung bin ich noch gar nicht gekommen ... Sagen Sie, wo haben Sie Ihre Frau gelassen?
Tom: Eireen ist nach Brandau gefahren, Herrn Akkermann besuchen.
Wirt: (wieder alarmiert) Sooo ... Tjaahh ... Nun, ich muß mich um dieses kleine Schädlingsproblem kümmern. Ach, ähm, möchten Sie, daß ich Ihnen einen Tee hochbringe?
Tom: Danke, aber nein.
Wirt: Wirklich nicht? Ich habe da ganz besonderen Tee. Davon werden Sie ihre Schmerzen sofort los sein.
Tom: Och, wissen Sie, solange ich dieses kranke Bein habe, kann meine Begleiterin mich wenigstens nicht in der Gegend herumscheuchen.
Wirt: Ach ja, die Frauen ... (lacht humorlos) Dann ... äh ... vielleicht etwas anderes? Wir haben eine große Auswahl an Spirituosen im Haus.
Tom: Später vielleicht. Ach, Herr Pfandler, in dieser Gegend sind doch des öfteren Menschen verschwunden.
Wirt: Wo haben Sie das denn gehört?
Tom: Und es waren ausschließlich Reisende, die in ihrem Gasthof gewohnt haben.
Wirt: Ja, aber das hat doch nichts mit meiner Herberge zu tun! Ich besitze nun einmal das einzige Hotel in Unternberg. Die Gegend hier ist noch nicht vollständig für den Tourismus erschlossen. Viele Leute überschätzen sich. Sie verlassen die empfohlenen Routen und bringen sich beim Wandern oder beim Wintersport in Gefahr. Das passiert Einheimischen natürlich nicht so schnell.
Tom: Ich habe ja auch gar nicht behauptet, daß irgendein Bezug besteht zwischen ihrem Aufenthalt hier und ihrem Verschwinden. Aber ...
Wirt: Jetzt verstehe ich ... Das sind die Spuren, denen Sie nachgehen wollten. Sie sind wohl von der Presse, ja? Also, mehr als der Polizei kann ich Ihnen auch nicht sagen.
Tom: Hm.
Wirt: Soll ich Ihnen jetzt was zu Trinken bringen?
Tom: Ich nehme vielleicht doch 'n Tee.
Wirt: Guut.

Ein plötzliches Krachen von zerberstendem Holz.

Wirt: (schreit auf)
Tom: Na, Ihr Hotel ist ja wirklich in 'nem schönen Zustand! Jetzt sind Sie schon selbst in der Treppe eingebrochen!
Wirt: Helfen Sie mir. Ich stecke fest!
Tom: Ja doch! Ach, verdammt, mein Bein! Warten Sie! Ich zieh' Sie hoch!
Wirt: Aaaaaaahhhhh!

Hintergrundmusik setzt ein.

Tom: Was ist denn?
Wirt: Er hat mich! Er hat mich! Ziehen Sie mich raus! Ziehen Sie mich raus!
Tom: Ist ja schon gut! Wer hat Sie?

Das Ächzen und Krachen der zerbrochenen Holzstufen, aus denen Tom den Wirt nun nach oben zieht.

Wirt: Aaahh, er zieht mich nach unten!
Tom: Da, kommen Sie, nur noch das eine Bein! Großer Gott! Was ist das?
Wirt: Er hält mich fest!
Tom: Dieser Arm ... Diese Hand! Das ist doch nicht von einem Menschen!
Wirt: Oh bitte, helfen Sie mir!
Tom: Laß ihn los! Laß sein Bein los, du Ding!
Wirt: (wimmert und stöhnt) Laß mich los, du Monstrum!
Tom: Es ist zu kräftig! Warten Sie, ich nehme den Holzsplitter hier! So, wie gefällt dir das?

Ein unmenschlicher Schmerzenschrei. Grunzen.

Tom: So, ich hab' Sie! Sie sind ja ganz blutig! Die Holzsplitter haben Ihre ganze Hüfte aufgerissen! Und ihr Bein ...
Wirt: Reden Sie nicht lange, wir müssen weg. Er kommt hoch. Er ist hinter uns her!
Tom: Wer denn, zum Teufel? Was ist das für ein Ding unter ihrer Treppe?
Wirt: Zum Erklären ist jetzt keine Zeit, kommen Sie, kommen Sie!

Aggressives Knurren. Holz knirscht.

Wirt: Er kommt nach oben! Da sehen Sie!
Tom: Großer Gott!
Wirt: Weg hier, er bringt uns um! Helfen Sie mir! Mein Bein ...
Tom: Schnell, wir verbarrikadieren uns in meinem Zimmer!
Wirt: Nein, da kriegt er uns mühelos. Wir müssen in den Fahrstuhl!
Tom: Der ist doch kaputt!
Wirt: Da, er zieht sich durch das Loch in der Treppe hoch!

Was auch immer es ist, wir hören seine unartikulierten Laute, sein Sabbern und seine Schreie. Tom und der Wirt stolpern atemlos über den Flur, das keuchende Geschöpf ist ihnen dicht auf den Fersen.

Tom: Schneller!
Wirt: Mein Bein!
Tom: Meins doch auch! Ich schmeiß ihm den Feuerlöscher an den Schädel.

Tom setzt seine Aktion in die Tat um. Das getroffene Wesen brüllt.

Tom: Die schwere Flasche scheint ihm gar nichts auszumachen.

Die Fahrstuhltüren surren.

Tom: Kommen Sie in den Aufzug! So ... Na endlich!
Wirt: Er kommt!
Tom: Die Tür schließt sich nicht schnell genug!

Die Tür schließt sich, wird aber von etwas aufgehalten.

Wirt: Er hat seinen Arm in der Tür. Mein Gott, er drückt sie wieder auf!
Tom: Der Spiegel. Versuchen Sie, ihn aufzuhalten, ich zerschlage diese Spiegelwand hier!

Dumpfe Schläge und Toms Schmerzensschreie. Dann zerklirrt endlich ein Teil des Spiegels.

Tom: Au! So! Jetzt komm her, du Scheusal! Ich schneid' dir mit der Glasscherbe in die Klaue!

Das Monster jault.

Tom: Tut mir leid, mein Lieber, das war ziemlich brutal, aber meine Hand sieht auch nicht besser aus!
Wirt: Er zieht seinen Arm zurück.
Tom: Drücken Sie den Knopf nach unten, schnell!
Wirt: Schon gemacht.
Tom: Jetzt können wir nur hoffen, daß es funktioniert!
Wirt: Oh bitte!

Der Fahrstuhl fährt.

Tom: Es klappt. Ha, ha, ha!

Die Hintergrundmusik verstummt. Sie atmen erschöpft aus.

Wirt: Warten Sie ... Der Fahrstuhl fährt wieder nach oben!

Ein Ruck

Wirt: Er steckt fest.
Tom: Jetzt müssen wir auf Hilfe warten. Oh, verdammt! Was ist, wenn Eireen zurückkommt und diesem Ding in die Arme läuft? Pfandler! Was ist das überhaupt für ein ... für ein Monstrum?
Wirt: Ich wollte ihn töten ... mit den Rattengift.
Tom: Ihn? Dieses ... Ding war das Schlimmste, was ich bisher gesehen habe und glauben Sie mir, ich hab' eine ganze Menge gesehen!

Etwas schlägt auf dem Fahrstuhldach auf. Hintergrundmusik setzt wieder ein. Schläge auf das Dach. Grunzen und Knurren.

Wirt: Er ist auf dem Fahrstuhldach!
Tom: Er will zu uns 'reinkommen!
Wirt: Wir sitzen in der Falle!
Tom: Drücken Sie doch einfach auf die Knöpfe! So ... So ...
Wirt: Das hilft nichts!

Metall quietscht.

Tom: Mein Gott! Das Dach verbiegt sich! Wie kann es so stark sein?
Wirt: Wir sind tot.

Die Dachplatte bricht ein und scheppert auf Tom und den Wirt herab. Triumphgeheul des Wesens.

Tom: Nein, du kriegst mich nicht! Laß mich los! Pfandler! Helfen Sie mir!
Wirt: Ich kann nicht, er ist zu stark!
Tom: Versuchen Sie es doch wenigstens! Er zieht mich 'raus in den Fahrstuhlschacht! Hilfe! Aaaahhhhh!

Sein Schrei hallt im Fahrstuhlschacht und wird leiser.
Die Hintergrundmusik verstummt.

Wirt: So, bist du jetzt zufrieden? Bist du satt? Na gut, ganz ruhig. Eins nach dem anderen. Dieser Engländer müßte ihm einige Zeit reichen. Wenn er weit genug weg ist, versuch' ich, den Schacht hochzuklettern. Und dann verschwinde ich einfach hier. Es ist einfach nicht mehr kontrollierbar.

Eines der Stahlseile, die den Aufzug festhalten, reißt.

Wirt: Was ... Er ist noch da? Nein ...

Ein weiteres Seil reißt. Der Wirt atmet erschrocken ein, als er seine Lage erkennt.

Wirt: Oh, mein Gott, die Stahlseile reißen! Die Stahlseile reißen! Hiiiilfeeee! Hiiiiilfeeee! Ich will hier 'raus! Der Fahrstuhl stürzt ab! Der Fahr ...

Noch ein Stahlseil.

Wirt: Nein, nein, ich will nicht sterben! Biiiitteeee nicht ...

Sein Schluchzen mündet in einem gellenden Schrei, als die Kabine mit ihm in die Tiefe fällt. Der Schrei geht unter und verstummt in dem Getöse des Aufpralls.
Musik

Nach oben!
Fortsetzung:

 Und wenn er kommt?

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© Die Gruselseiten (25. Mai 2001)