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Zu Gast im Geisterhof Zu Gast im Geisterhof
 

 • Die Ankunft
 • Die erste Nacht

Autor dieser Szene: Markus Duschek
 

Die erste Nacht

Nacht: Man hört Tom, wie er sich schlafend und schnarchend in seinem Bette rührt - und etwas anderes im Hintergrund, zunächst schwach und dann immer lauter werdend: ein langgezogenes, unheimliches Wimmern unbestimmbaren Geschlechts ...
Leise, hastige Schritte auf dem Korridor. Es wird hektisch geklopft.

Tom: (schreckt aus seinen wirren Träumen auf.) Wahhh? Was ist los? (Man hört ihn beim Aufstehen unwillig ächzen.)
Eireen: (flüsternd, aber ernergisch hinter der Tür) Tom!!! Bitte, mach' auf ...

Träge schlurft Tom auf die Tür zu, man hört Eireen hinter der Tür ungeduldig/wütend ausatmen. Tom öffnet die Tür.

Tom: (mit leiser, feierlicher Stimme) Kommen Sie, Prinzeßchen, treten Sie ein in mein Gemach! (atmet erleichtert aus) Wußt' ich doch, daß dir unsere bisherige Übernachtungspolitik irgendwann mal langweilig werden würde! Ich freu' mich, daß du -
Eireen: (würgt ihn mit ängstlicher/wütender Stimme ab) Ja mein Gott, hörst du denn nicht??
Tom: (irritiert) Ja, was denn? (reagiert nach einer Sekunde Schweigen auf das Wimmern) Na und?
Eireen: (äußerst irritiert) NA UND!?! Mit dem Gast im Zimmer Nr. 2 stimmt etwas nicht! Vielleicht braucht er Hilfe, oder vielleicht ist er -
Tom: Wieso "er"? So wie das klingt, kann das auch 'ne betagte Dame sein, der das Zigeunergulasch genauso wie mir auf den Magen geschlagen ist! Du glaubst nicht, was ich heut' nacht zusammengeträumt habe! Also, ich muß mal morgen 'n Wörtchen mit dem Wirt ... daß der mir wegen meines gutgemeinten Spanien-Tips gleich die sprichwörtliche Suppe versalzen muß, das hätt' ich nicht ... so 'ne beleidigte Leberwurst!
Eireen: (süß/sauer) Nun halt' mal für fünf Minuten dein Plappermäulchen! Eigentlich hatte ich auf deine Rückendeckung gehofft ... aber dann zieh' ich halt alleine los, um nach dem Rechten zu sehen! Muß ja wenigstens einer von uns professionelle journalistische Neugierde bewahren.
Tom: Schön gesagt, Schätzchen! Ich bin ja auch nur dein Hoffotograf, und als solcher halt' ich dir schon mal das Bettchen warm, damit du nicht frösteln mußt, wenn du in meine Arme -
Eireen: (zischt) Träum' weiter, du Ekel!

Eireen läßt jede Vorsicht fahren und donnert die Tür lautstark zu.

Tom: (läßt sich ins Bett fallen) Ich wollt' dir nicht zu nahe treten, aber ich bin auch nur ein Mensch, Liebes ...

Korridor: Es ist totenstill - bis auf das mysteriöse Wimmern, Eireens überlautem Atem und ihre zaghaften Schritte auf dem knarzenden Holzboden. Die Schritte stoppen, und man hört nun aus dem Inneren des Zimmers Nr. 2 gedämpft, aber deutlich, daß hier die Quelle dieses seltsamen Lauts liegt. Zaghaft klopft Eireen an die Tür.

Eireen: Hallo?

Das Wimmern bricht abrupt ab. Nun hört man wirklich nur noch Eireens Atmen.

Eireen: Hallo ... (absolute Stille, nichts rührt sich im Raum; nach einer Sekunde des Schweigens:) Ich dachte nur, daß Sie vielleicht ... Geht es Ihnen -

Das Wimmern beginnt von neuem.

Eireen: (atmet nervös aus, lauter) Brauchen Sie Hilfe?

Keine Antwort - außer anschwellendem Wimmern; Eireen klopft ein letztes Mal - diesmal kraftvoll - gegen die Tür.

Eireen: Hallo, Sie da drinnen! Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben, ich will Ihnen doch nur -

Das Wimmern erstirbt wieder.

Eireen: (enttäuscht) Na gut, dann nicht.

Schritte.

Eireen: (schreit schrill auf, als sie mit jemandem in der Dunkelheit ohne Vorwarnung zusammenprallt) Sie ...? Was machen Sie -
Wirt: (seine Stimme klingt freundlich - gleichzeitig aber auch lauernd, verunsichert) Bitte, legen Sie sich wieder schlafen, es ist alles in Ordnung.
Eireen: Alles in Ordnung? Sie übertreiben, Herr Wirt! Da drinnen in diesem Raum ist ein -
Wirt: Schlafen Sie gut, Miss Fox!

Der Wirt schlurft davon.

Eireen: Aber ... (sie schluckt nervös und nähert sich schnell leisen Schrittes Toms Zimmertür und klopft wild) Aufmachen! Aufmachen, Mister Fawley! Sofort!!

Tom poltert im Rauminneren, Unverständliches grummelnd, aus dem Bett und öffnet die Tür.

Tom: (belustigt) Prinzeßchen! Noch nicht in den Federn? Soll das etwa bedeuten, daß -
Eireen: Ja, aber nur, weil ich unserem Herrn Wirt nicht mehr über den Weg traue und mir in diesem Gasthof langsam mulmig wird ...
Tom: Bei seinen Kochkünsten kein Wunder ... mein Magen fährt immer noch Achterbahn! (Er kriecht wieder ins Bett.)
Eireen: Sehr schön, dann kommst du wenigstens nicht auf dumme Gedanken ... (Eireen folgt Tom.)
Tom: Was für dumme Gedanken?
Eireen: Esel! (dreht sich um) Gute Nacht!
Tom: Gute Nacht? Du kannst doch jetzt nicht einfach in Dornröschenschlaf verfallen, wo wir ...
Eireen: Doch, ich kann! Warum sollt' ich das nicht können?
Tom: Weil ... weil ... Ach, verdammt! Ich bin zu müde, um dir ... Du bist ein kaltherziges Ungeheuer!
Eireen: Dafür bist du ein Schatz, gute Nacht!
Tom: (brummelt Unverständliches in seine Decke und fängt alsbald zu schnarchen an.)

Prompt ertönt das Wimmern aus dem Nachbarzimmer von neuem.

Eireen: (wirft ihr Kissen wütend gegen die Wand) Na warte nur, Mister Fawley ... Deine "Übernachten-mit-Eireen"-Aktien fallen gerade kellertief! (zärtlicher) Oder vielleicht auch nicht ... (sie kuschelt sich in die Decke)

Die Geräusche dieser Nacht verebben, und ein neuer Tag bricht an ...

Nach oben!
Fortsetzung:

 Morgen-Grauen

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© Die Gruselseiten (20. Januar 2001)