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 Fledermäuse 
"He, du! Wie heißt du?"
(Busfahrer in "Der Pakt mit dem Teufel")

Schloß Die Höllenfahrt des Schörgen-Toni

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts lebte im Schlosse zu Moosham ein Gerichtsdiener namens Anton, vom Volke einfach "Schörgen-Toni" genannt. Dieser war wegen seiner Grausamkeiten und Menschenschindereien ein im ganzen Lungau übelberüchtigter Mann. Er bedrückte das Volk, quälte die Gefangenen, die in den Kerkern zu Moosham saßen, auf die entsetzlichste Weise und setzte besonders den Wilderern hart zu. Ja, er mißhandelte sogar seine Eltern und ließ ihnen seine Roheit fühlen. Trotz seiner vielen Missetaten ereilte ihn aber nie die gerechte Strafe, so daß die Leute behaupteten, er habe seine Seele dem Teufel verschrieben, welcher ihn dafür in Schutz nähme. Doch endlich hatte auch seine Stunde geschlagen. Als das Maß seiner Übeltaten voll war, erschien eines Nachts der Teufel, dem er so lange Schergendienste geleistet, und entführte ihn auf einem Höllengespann in den finsteren Abgrund.
Es ist eine stürmische Nacht. Rabenschwarze Wolken hangen am Firmament und umhüllen die Berge. Der Wind heulte in schauerlichen Tönen durch den Wald und überfällt, wie von wilden Furien gepeitscht, das Schloß, an dessen Mauern er vergebens rüttelt. Dafür läßt er den Zorn an den das Schloß umstehenden alten Baumriesen aus, die er wütend umfaßt und mit solcher Gewalt schüttelt, daß gar mancher von ihnen, aus den Wurzeln gehoben, mit lautem Krachen zur Erde fällt. Dann wieder zieht er, gleich dem Winseln eines Hundes, der um Einlaß bittet, an den Mauern des Schlosses hin, aber nur, um es bald darauf mit erneuter Wucht zu überfallen.
Mitternacht war nahe. Da nähert sich dem Schlosse ein Gefährt. Als es vor dem Tore anlangte, öffnete sich dasselbe wie von selbst und das Gefährt fuhr in den Schloßhof ein, wo es anhielt. Ein schwarz gekleideter Mann sprang aus dem Innern der geschlossenen Kutsche, welche von vier glänzend-schwarzen Rappen gezogen wurde. Der Ankömmling durchschritt den inneren Schloßhof, indem er sich nach derjenigen Seite des Schlosses wandte, wo sich die Wohnung des Schörgen-Toni befand.
Dieser hatte soeben einen seiner nächtlichen Rundgänge durch die im unteren Teile des Schlosses gelegenen Kerkerräume beendet, nachdem er sich von der Sicherheit der Eingekerkerten überzeugt, sich an dem Elende der in den dunklen Kerkern schmachtenden Opfer geweidet, und manchem derselben neue Folterqualen angedroht hatte. In seine Wohnung zurückgekehrt, hatte er sich des Schlüsselbundes, den er bei sich trug, entledigt, denselben an die Wand gehängt und die Laterne auf den Tisch gestellt. Dann ließ er sich schwer auf einen Stuhl nieder und schaute, den Kopf auf die Hände gestützt, mit finsteren Blicken in das trübe Talglicht, das vor ihm auf dem Tische stand. Offenbar waren es keine erfreulichen Gedanken, welche sein Gehirn durchkreuzten, denn sein Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. Plötzlich zuckte er zusammen. Er erinnerte sich des Paktes, den er vor Jahren mit dem Teufel geschlossen, und der diese Nacht zu Ende ging. Ein Gruseln durchschauerte ihn. Wie, wenn das Schreckliche eintreten würde? - - - Draußen wütete der Sturm. Durch die kleinen Fensterchen mit den runden Scheiben grinste die wetterschwarze Nacht herein und das trübe Licht in der Stube warf einen geisterhaften Schein um sich. Zeitweise schlug der Wind mit solcher Wucht an die kleinen Fensterscheiben, daß sie laut klirrten und das Licht auf dem Tisch unruhig hin- und herzuflackern begann. Da klopfte es an seiner Tür. Erschreckt sprang der Schörgen-Toni in die Höhe und indem er sich, scheinbar ruhig, darüber wunderte, wer zu so später Stunde noch zu ihm wolle, ging er doch nicht ohne geheimes Angstgefühl zur Tür, um sie zu öffnen. Doch ehe er sie erreichte, ging dieselbe auf und der mit dem Gefährt angekommene Fremdling betrat das Gemach. Als derselbe in der Stube war und dem Schörgen-Toni gegenüberstand, verbeugte er sich und seine Augen leuchteten in unheimlichem Feuer, als er begann:

Sei mir gegrüßt, du lieber Mann,
Ich komm' eb'n von der Höll' jetzt an;
Mit meines Fürsten Gruß und Befehl
Sollst dich zur Reis' nun rüsten schnell.

Die Zeit ist da zur Höllenfahrt,
Wo alles dort schon deiner harrt,
Sie warten bei der Höllenpfort',
Um dich zu führ'n an deinen Ort.

Als der Schörgen-Toni des nächtlichen Besuches ansichtig wurde, in ihm einen Abgesandten der Hölle vor sich sah, und dessen Worte vernahm, erschrak er dermaßen, daß er am ganzen Leib zu zittern begann. Wie vom Blitz getroffen, stand er auf seinem Platze. Er hatte zwar das Schreckliche kommen sehen, hatte es all die Jahre her gewußt, aber es sich doch nicht so vorgestellt, wie es in Wirklichkeit war. Sein Leben zog in diesem Augenblick an ihm vorüber mit all den Übeltaten, die er während desselben vollbracht. Und diese Erinnerung, wie auch die Empfindung, daß sein Leben zu Ende und seine Stunden gezählt seien, versetzten ihn in solche Angst, daß ihm die Haare zu Berge standen und kalter Schweiß von der Stirne rann. Ja, schon der alleinige Gedanke an das, was ihm nun bevorstand, erschütterte den sonst gefühllosen Mann derart, daß ihm das Blut in den Adern stockte und er keines Wortes mächtig war. Doch plötzlich ermannte er sich, denn ein Hoffnungsschimmer durchzuckte sein Gehirn! Wie, wenn er sich auf irgendeine Weise dienstbar machen und so sein Leben verlängern könnte? Und von diesem Gedanken geleitet, entgegnete er in jämmerlich bittendem Tone:

"Ach, laßt mir noch ein bißchen Zeit,
Ich will euch dafür zeigen Dankbarkeit
Und will euch noch recht viele Leut'
Voraussenden in die Ewigkeit."

Der Teufel sprach: "Das kann ich nicht,
Ich muß erfüllen meine Pflicht.
Denn ich versprach dem Höllenfürst,
Daß du vor ihm erscheinen wirst."

"Ach, so ist denn die Zeit schon aus",
Ruft jetzt der Schörgen-Toni voll Graus.
"Ich hoffte noch zu leben lang
Und seh' nun plötzlich mein Ende nah'n."

Der Teufel sprach: "Beeile dich
Und laß nicht länger warten mich.
Du sollst dich ja befinden schon
Vor des Höllenfürsten feurig'm Thron."

Nun übermannt den Schörgen-Toni die Verzweiflung. Er greift sich mit beiden Händen an den Kopf und ruft mit vor Angst bebender Stimme:

"Ach, ach, was habe ich getan,
Daß ich nicht länger leben kann.
So ist denn alles jetzt schon gar."
Verzweifelt rauft er sich das Haar.

Jetzt aber nähert sich der Teufel seinem von Angst und Schrecken gepeinigten Opfer mit den Worten:

"Nun komm, du unser lieber Gast,
Die Hölle lang verdient schon hast.
In dunkler Nacht, bei Tod und Grauen
Sollst du die ewige Finsternis nun schauen."

Dann nahm er den mit der Verzweiflung Ringenden mit sich, führte ihn über Treppen und Gänge hinunter in den Burghof, wo das Gefährte ihrer harrte. Dort angekommen, drängte er den halb Bewußtlosen in den Wagen, stieg dann selbst ein und schloß die Tür hinter sich ab. Nun setzte sich das unheimliche Gefährte in Bewegung. Die vier schwarzen Pferde zogen an, und von der kundigen Hand des Kutschers gelenkt, ging's wieder zum Tore hinaus. Zwölf dumpfe Schläge verkündeten die mitternächtige Stunde, als das Gefährt über die Schloßbrücke fuhr. Dumpf schlugen die Hufe der Pferde auf, feurig glühten ihre Augen, Feuer flammte aus ihren Nüstern und feurig leuchteten die Augen des Kutschers, der die Pferde zu immer schnellerem Laufe antrieb. Wild flatterten ihre Mähnen und in rasendem Galopp stürmten sie vorwärts, hinein in die dunkle Nacht. Immer schneller jagte das Gefährte dahin, seinem schauerlichen Ziele entgegen. Wie von Furien gepeitscht, sprengte das Höllengespann durch den unweit des Schlosses gelegenen Schindergraben hinab, daß die Funken sprühten und nach allen Richtungen hin zerstoben. Dann war es im Dunkel der Nacht entschwunden. - - -

Die Sage berichtet noch, daß der Geist des Schörgen-Toni in die oberhalb Mauterndorfs befindliche Trogalpe verbannt wurde. Da er aber dort nicht zur Ruhe kam, sondern immerfort das Vieh schreckte, wurde er in den zuhinterst im Murwinkel gelegenen Rotgüldensee verbannt, wo man ihn seither des öfteren in dunkler Nacht als eine feurige Strohgarbe umherschwimmen sah. - Und so bildet dieser Schörgen-Toni eine der charakteristischen Gestalten unter den Volkssagen des Lungaues. Es hat sich aber auch keine von den vielen Sagen, welche das Schloß Moosham mit ihrem mystischen Zauber umgeben, im Volke so lebendig erhalten, als gerade diese.

Literatur Lungauer Volkssagen. Gesammelt und herausgegeben von Michael Dengg. Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. Mauterndorf o.J. [1973 (?)], S. 108-112 (aktuelle Auflage hier erhältlich)

 

Schloß Der Schörgentoni, die vier Wölfe und der Zauberer Jakl (Auszug)

Vor nicht ganz hundert Jahren lebte im Schlosse Moosham ein Gerichtsdiener, oder, wie man sie damals nannte, Schörge, (Scherg, Schürg) welchen man den "Schörgen Toni" hieß; denn sein Taufnamen war Anton. Er führte einen liederlichen Lebenswandel, ging nie zur Kirche, und betrog und bedrückte die Unterthanen.
Es ging der Ruf, der Toni habe seine Seele dem Teufel verschrieben. Er wurde krank, und drei Tage vor seinem Hinscheiden begann er so zu brüllen, daß man es weit in's Thal hinaushörte.
Als endlich der Tod ganz nahe an sein Lager trat, und er schon im Todesröcheln lag, fuhr eine schwarze Kutsche mit vier kohlenrabenschwarzen schnaubenden Rappen über die Schloßbrücke herein, lenkte dem unteren Schlosse zu, und hielt gerade da stille, wo oben der Schörgentoni in den Sterbezügen lag. Aus dem Wagen sprang ein schwarz gekleideter Herr in einer schwarzen Allongeperücke heraus; er war unheimlich anzusehen, denn oben schauten Hörner und unten Bockfüsse heraus.
Diese unheimliche Gestalt stieg pathetischen Schrittes die Treppe hinauf in das Sterbezimmer, wo er die arme Seele des Schörgentoni in Empfang nahm, mit selber zum Wagen eilte, und im sausenden Galloppe wieder über die Schloßbrücke hinausfuhr. Am Tage der Begräbniß entstand ein grausiges Donnerwetter; es war die Triumph-Salve des Höllenregimentes über die arme Seele des Schörgentoni. Seither muß die arme Seele des Schörgentoni im Lungau ohne Rast und Ruhe herumwandern, anfangs auf dem Speiereck, wo er die Leute mit Donnerwettern und Steingerölle in ihren Alpen beunruhigte, später wurde er von der Spitze des Speiereckes hinein in den Roggilden-See im hinteren Muhrwinkel gebannt, wo ich seiner an Ort und Stelle noch erwähnen werde.
So geht die Sage durch Lungau vom "Schörgentoni."
Hier setze ich nur bei, daß der Pfleger von Moosham im Jahre 1759 einen Bericht an die Hofkammer abgeben mußte, (74) über die Bitte des "Antonien Heilmayr gerichtsdienern um Haltung eines Pferdes und Haabers."
Dieser dürfte der Schörgentoni sein; von ihm kömmt auch noch vor: (57) "Clara Harbakskriegseisen, Amtmannstochter alhier ist ihr des Vaters dienst verlichen und Antonien Heilmayr darauf ehelichen zu derffen, iedoch sollen Sye die alte Mutter und den unrevierigen Sohn ernöhren und mit freyer Wohnung unterhalten, auch ihr den Austrag geben, die Vahrnuss pr. 191 fl. ablesen, die 2 Geschwisterigth Klaglos halten.
Diese seine angeschwägerten Verwandten solle dieser Toni grausam behandelt haben.
Der Vater dieser Clara Harbakskriegseisen (25) war seit 1711 Gerichtsdiener in Moosham und starb im Jahre 1748 als Greis so verschuldet, daß der Konkurs über ihn verhängt wurde. (103.) Die Armuth und Hilflosigkeit der zahlreich Hinterlassenen bestimmte die Hofkammer gegen Ehelichung der Tochter Klara dem Anton Heilmayr, den Gerichtsdienerdienst zu verleihen. Er hat sich jedoch dessen unwürdig benommen, denn er bekam im Jahre 1756 von der Hofkammer die Warnung (69) "er solle Threyer und fleißiger seyn, widrigenfahls Er des Dienstes zu entsetzen ist."

Literatur Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen dargestellt von Ignaz von Kürsinger [...]. Mit artistischen Beigaben. Salzburg 1853, S. 485f.

 

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© Die Gruselseiten (27. Mai 2001)