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 Fledermäuse 
"Niemand wird uns trennen; sie ist mein!"
(Siegmund von Moosheim in "Der Pakt mit dem Teufel")

Schloß Die Sage von Sigmund von Moosheim

In dem hohen Burgsaale saß der alte Moosheim im traulichen Sorgenstuhle, sein Blick ruhte sanft auf dem Antlitze seines Sohnes Sigmund, der am Erkerfenster saß, und den Rost von der Klinge putzte. Sigmund, ein Jüngling von 20 Jahren, war ein munterer, tapferer Kämpe, und der greise Vater fand nur seine größte Freude in ihm, dem einzigen Stammhalter seines Hauses. Er hatte daher beschlossen, sobald als möglich seinen Sohn zu vermählen, um noch in seinen alten Tagen das Glück genießen zu können, als Großvater ein holdes Knäblein auf seinem Schoße zu schaukeln. So manche Schöne des Landes hatte er seinem Sohne zur künftigen Ehegattin bereits vorgeschlagen.
Abermal begann der alte Moosheim, dem Gespräche die gewöhnliche Wendung zu geben.
"Sieh, lieber Sigmund, begann er traulich, so eben erhielt ich Nachricht von meinem Busenfreunde, Otto von Saurau, dessen schmuckes Töchterlein uns in Kurzem besuchen wird, sieh' mein Sohn - dieß Engelchen wäre ganz für Dich geschaffen."
"Ey Vater, laßt das bei Seite," entgegnete Sigmund etwas verstimmt.
"So darf ich denn in meinem Leben nicht mehr hoffen, meinen einzigen Wunsch erfüllt zu sehen?"
"Vater, von dem sei keine Rede," erwiderte der Sohn, "ich hoffe Euch noch recht lange am Leben zu haben; doch jetzt gönnt mir noch die freien Tage meiner Jugend."
Der alte Moosheim schüttelte bedenklich den Kopf, und verließ wie gewöhnlich mißmuthig den Saal.
Kaum hatte der Vater die Thüre hinter sich geschlossen, so sprang Sigmund rasch vom Sitze empor.
"Mit Gewalt will man mich an ein Wesen ketten, das mich nie glücklich machen kann," seufzte der Jüngling, "nur Marien gehört mein Herz, nur ihr, der Engelsguten. Allein Maria ist arm, ärmer als die letzte Magd unseres Hauses, und dennoch liebe ich sie, und schwöre es bei dem Glauben an meinen Schöpfer, daß nur Maria einstens meine Gattin werde."
Schnell erfaßte er Helm und Armbrust und stürzte zur Thüre hinaus.
In dem nahen Unternberg stand am äußern Ende des Dorfes ein kleines Hüttchen, nur Raum für eine kleine Familie gebend, in dieser wohnte Maria mit ihrer Mutter. Das liebliche Mädchen war die Tochter des ehemaligen Kuhhirten des Dorfes, doch gottesfürchtig und fromm erzogen, und lebte nun seit einem Jahre nach des Vaters Tode mit ihrer alten Mutter allein und verlassen in ihrem niedlichen Hüttchen, den kargen Verdienst mit der armen Mutter theilend.
An einem Kirchengange hatte sie Sigmund kennen gelernt, das religiöse Benehmen des holden Mädchens hatte sein Herz bald so entflammt, daß er in wahrhaft reiner, herzlicher Liebe für sie entbrannte, und den heiligen Schwur that, in Ehrbarkeit und Treue das Mädchen zu lieben, und einst als Gattin in sein Schloß zu führen.
Dabei erwog er wohl alle Hindernisse und prüfte und sah nur zu deutlich ein, mit welchen Stürmen er in Zukunft zu kämpfen haben wird. Er kannte den Vater und dessen angestammten Ahnenstolz, er kannte des Mädchens sittlich frommes Herz, und wußte gar wohl, daß, wenn sie seinen Stand wüßte, er ihre Liebe nie erringen würde. Bei allen dem war er aber fest überzeugt, daß Maria ihn gerne sehe. Schnell war sein Entschluß gefaßt.
In des Vaters Forste wohnte Egon, der alte Jäger, der Sigmunden wie sein eigenes Kind liebte. Diesem vertraute sich der Jüngling an, und Egon, der dem jungen Ritter nie eine Bitte abzuschlagen vermochte, willigte auch dießmal in das Vorhaben des jugendlichen Liebeshelden.
Seit dieser Zeit war Sigmund zur Freude seines Vaters ein großer Jagdliebhaber. Täglich zog er mit Speer und Bogen in den Wald - doch nur bis zu des Försters Wohnung, denn dort waren Bogen, Schwert und Jagdrock auf die Seite gelegt und in dem Kleide eines schlichten Jägerburschen kam Sigmund in die Hütte Mariens und genoß stundenlange das Glück der reinsten, frömmsten Liebe.
So schwanden Jahre und die beiden Liebenden fühlten sich unzertrennlich. Da drang der alte Graf mit Strenge in den Sohn, sich eine Braut zu wählen.
Nun war der entscheidende Augenblick gekommen, der entweder Sigmund an den Gipfel seines Glückes, oder in den Abgrund der Verzweiflung zu versetzen vermochte.
Halb verstört langte er in der Hütte des Jägers Egon, seines zweiten Vaters an, und mit den Worten: "mein guter alter Freund, hilf oder in einer Stunde ist Sigmund nicht mehr am Leben," stürzte er fast bewußtlos zu Boden.
Sanft und bis in das Innerste erschüttert, hob Egon seinen Pflegling auf, und nach einer mehrstündigen Unterredung war der fürchterliche Plan beschlossen.
Ruhig kehrte hierauf Sigmund in das väterliche Schloß zurück.
Nach Verlauf von einigen Tagen herrschte ein besonderes reges Leben in dem Hause des alten Egon. So freundlich als die Vorbereitungen zu einem nahen, kleinen Familienfeste sich gestalteten, so zeigte sich doch auf dem Antlitze des alten Jägers eine angstvolle nichts Gutes ahnende Miene.
Schon fing es an zu dämmern, im Walde herrschte schon ziemliche Dunkelheit, da klopfte es leise an der Thüre und Sigmund im vollen Jagdkleide mit Marien im bräutlichen Anzuge trat zur Thüre herein, ihnen folgte die alte Mutter Anna und der Pfarrer des Orts, ein Herzensfreund des alten Egon.
Der Ueberredung Sigmunds und des alten Försters war es gelungen, den ehrwürdigen Pater zu dem Schritte zu bringen, die beiden unglücklich Liebenden durch Gottes Wort für ewig in dieser einsamen Hütte ohne Wissen des ahnenstolzen Vaters zu verbinden.
Schon lagen die beiden Hände der Liebenden in einander, schon hatte Maria sanft das Wörtchen "Ja!" gesprochen, im festen Glauben, sie werde mit Sigmund, dem Sohne des Försters Egon verbunden, da stürzte ein Bursche zur Thüre herein, und rief halb verwirrt vor Schrecken und Angst: "der alte Moosheim mit seinen Leuten reitet die Anhöhe herab."
Totenblässe überzog Aller Antlitz. -
Schnell faßte Sigmund sein Liebchen in die Arme, stürmte zur Stube hinaus und schwang sich behende auf des Försters Gaul, den der Bursche bereits aus dem Stalle geführt.
Mit Blitzesschnelle flog Roß und Reiter von dannen; doch der alte Moosheim war der Hütte schon zu nahe, als daß er die eilige Flucht seines Sohnes nicht bemerkt hätte; schnell wandte er seinen Rappen und setzte im Carriere den Fliehenden nach. Schon glaubte sich Sigmund mit seiner Marie gerettet, da sah er vor sich einen schrecklichen, Tod gähnenden Abgrund und hinter sich seinen Vater mit dem Gefolge. "Maria! rief er mit erstickender Stimme: kannst Du mir verzeihen? Liebst Du mich wahrhaft?"
"Dein bis in den Tod," lispelte die erschrockene Gattin. Da wandte Sigmund den Gaul, nur wenige Schritte von ihm sprengte der erzürnte Vater heran.
"Haltet ein, Vater! rief der jugendliche Held, sprecht Gnade für mich und Marien, oder dieser Abgrund schützt uns vor Eurem Rachegefühle."
Schnell hielt Moosheim den Rappen an, und schon schwebte das Wort "Gnade" auf seinen Lippen, da erwachte der alte Ahnenstolz, und mit dunkelgeröteter Wange und zornsprühendem Blicke rief er dem harrenden Sohne zu: "bei Gott ist Gnade, bei mir suchst Du sie vergebens!"
Mit Manneskraft schwenkte Sigmund den Gaul, drückte fest sein Weibchen an die Brust, - ein Schrei - und Roß und Reiter lagen in des Abgrundes Tiefe. -
Lautlose Stille herrschte im Walde. -
Eine helle Thräne trat in des Vaters Auge: "bei Gott ist Gnade," lispelte er und sprengte mit Sturmeseile nach Hause.
Den alten Egon, den Pfarrer und die Mutter Mariens hatte man bereits auf das Schloß gebracht, sie erwarteten die fürchterlichsten Strafen und Martern, welche die armen Unglücklichen treffen werden, mit banger Ahnung.
Kaum hatte die Sonne mit ihren Strahlen die Berggipfel begränzt, so befahl der alte Graf die drei Gefesselten vorzuführen. Schüchtern und mit Todesangst traten die Vorgerufenen ein. Da lag der alte Herr, bleich und mit kummervollem Antlitze im Bette, und dem alten Egon die Hand reichend, begann er leise: "Egon, mein treuer alter Diener, ich hatte einen Sohn, die Freude, Hoffnung und der Stolz meiner alten Tage, du hast mir ihn entrissen, doch nein! - nein! die Gewalt der Liebe war es, die mir meinen Sohn entwendete, und ich, der unglücklichste aller Väter, ich bin sein und seines Weibes Mörder."
Ein Strom von Reuethränen stürzte über die gefurchten Wangen. "Ihr seid frei! Mein Gewissen ist mit Mord befleckt, betet für meine unglückliche Seele, denn nur bei Gott ist Gnade."
Er drückte das thränenschwere Angesicht in die Kissen und starb. Der Gram um den Sohn hatte ihm das Herz gebrochen.

Literatur Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten urkundlichen Quellen dargestellt von Ignaz von Kürsinger [...]. Mit artistischen Beigaben. Salzburg 1853, S. 460-464 / nahezu wortgleich als "Siegmund-Sage" wiedergegeben in: Lungauer Volkssagen. Gesammelt und herausgegeben von Michael Dengg. Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. Mauterndorf o.J. [1973 (?)], S. 87-91 (aktuelle Auflage hier erhältlich)

 

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© Die Gruselseiten (27. Mai 2001)