Schriftzug

Alle M-Einträge
 
Dracula - Jagd der Vampire

Dracula - Die Geschichte des berühmten Vampirs

Dracula, König der Vampire (3)

Murray, Mina
 
Sprecher Reinhilt Schneider
Markante Textbeiträge "Ja, glauben Sie denn, daß es diesen ... diesen Dracula wirklich gibt, Professor?"
"Da! Hilfe! Aus dem Nebel entsteigt eine große, schwarze Gestalt! Jonathan! Jonathan, hilf mir!"
"Ich habe Angst, Jonathan! Furchtbare Angst! Diese Frauen - sie wollten dein Blut trinken!"
"Ich trage das Mal der Schande."
"Jonathan! Graf Dracula - er sieht uns an!"
Zur Person Verlobte des jungen Anwaltsschreibers Jonathan Harker. Daß sich das Leben an der Seite eines Juristen nicht unbedingt in bürgerlicher Solidität erschöpft, muß Mina schon bald nach Jonathans Rückkehr von seiner Transsylvanien-Dienstreise erleben: Befindet sich unter dessen Mandanten doch nun Graf Dracula. Und der folgt Jonathan nicht nur nach London, sondern macht sich gleich auch noch über Minas Freundin Lucy her - mit fatalen Folgen ...
Mina reagiert auf diesen Einbruch des Übernatürlichen mit naivem Unglauben. Diese zum Teil am Rande der Parodie entlangschlitternde Naivität wird durch Reinhilt Schneiders Interpretation der Rolle noch unterstrichen, und auch Heikedine Körting hat in ihrer 1976er Überarbeitung des Halverschen Originalhörspiels das ihrige getan, um diesen Eindruck zu verstärken: Im Hafen, erzählt Vampirologe van Helsing, sei ein führerloses Schiff eingelaufen. Mina fragt lieber noch mal nach: "Führerlos?" Der Professor berichtet weiter, ein Hund sei von Bord gesprungen. Mina hat sich wohl verhört: "Ein Hund?" Und so weiter ... Nicht nur in dieser Szene, sondern fast in der ganzen "Jagd der Vampire" (und noch mehr in der "Geschichte des berühmten Vampirs") erinnert Mina fatal an die ebenfalls von Reinhilt Schneider gesprochene Ulla aus Folge 4, eine Figur, die mit ihrer extremen Unbedarftheit größeren Schrecken verbreitet als Wagner und Georg zusammen.
Schon bald muß Mina am eigenen Leib erfahren, was es mit Dracula auf sich hat, besucht er doch auch sie an ihrem Nachtlager. Innerhalb der Europa-Hörspielwelt ist es erstaunlich, daß sie selbiges mit Jonathan teilt, denn noch sind die beiden ja nicht verheiratet - oh là là, Herr Halver! Das wäre dem guten H.G. nie passiert - oder fällt jemandem ein anderer Grund für die Vermählung der Fawleys ein, als daß sie sich beim "Duell mit dem Vampir" endlich ein Parador-Zimmer teilen konnten? Selbst bei Bram Stoker waren Mina und Jonathan in der berühmten Schlafzimmer-Szene schon verheiratet.
Eine solcherart verruchte Viktorianerin interessiert offensichtlich sogar Dracula; er vollzieht mit ihr die Bluttaufe und entführt sie dann nach Transsylvanien. Auch wenn Mina keine vampirischen Anwandlungen entwickelt (das führt wiederum die Bluttaufe ad absurdum), paßt sie sich zunächst ihrer neuen Heimat an: Ihr Gesang jedenfalls ist so gruselig, daß selbst die Kinder der Nacht neidisch werden könnten. Immerhin hat das Gejaule auch sein Gutes: Es führt Jonathan und van Helsing, die dem Grafen nachgereist sind, zu ihr.
Im gesamten Hörspiel bleibt Mina passiv; sie ist nur ein Objekt der Handlung, gleichermaßen von Harker und Dracula beansprucht und stets der väterlichen Autorität van Helsings ergeben. Geradezu folgerichtig ist ihr einziges Aufbegehren gegen einen männlichen Protagonisten, bezeichnenderweise gegen den wenig souveränen Jonathan, nur ein Spiel, bei dem van Helsing Regie führt, um die Vampirbräute zu täuschen: "Ich hasse dich! Du bist an allem schuld. Oh, ich bringe dich um!" Zum Abschluß des Hörspiels erscheint Mina wieder als fremdbestimmtes Kind.
Können Mina und Jonathan am Ende mit Ach und Krach aus Transsylvanien fliehen, reisen sie zu Beginn von "Dracula, König der Vampire" abermals nach Siebenbürgen. Daß Mina ihren Verlobten begleitet, ist die auffälligste und entsprechend kontrovers diskutierte Abweichung dieser ansonsten überraschend werkgetreuen Adaption der ersten Kapitel des Stoker-Romans. Auch wenn mit Francis nun ein neuer Autor die Feder führt, scheint Mina zunächst ganz die Alte zu sein. Wieder leiht ihr Reinhilt Schneider die Stimme, und auch sonst kommt sie uns sehr bekannt vor: Noch immer kultiviert sie altmodische sprachliche Manierismen (nannte sie ihren Jonathan auf der "Jagd" noch beharrlich "Jonattan", beteuert sie hier wiederholt, "nicht abergläubig" zu sein), und auch ihre Unbedarftheit stößt in die bekannten Gefilde vor. Anfangs ist sie vom Grafen nämlich ganz begeistert: "Welch ein höflicher Mann!"
Schnell revidiert sie aber ihren ersten Eindruck ("Er hat so eigenartige Augen."), und danach ist sie, obwohl ihr "junges Blut" umgehend zu Draculas Lebenssaft wird, aufmerksamer als ihr etwas schwerfälliger Verlobter ("Sieh doch, da ist er! Er klettert an der Felswand hinunter."); dazu ist sie es, die das taktische Vorgehen bestimmt ("Wenn er uns gefangen hält, dann weiß er auch, warum er das tut."), bis der Graf endgültig enttarnt ist und die Konfrontation unvermeidlich wird. Jonathan und Mina teilen sich hier die Rolle van Helsings, der ja in Folge 3 nichts von sich hören läßt. Mina ist dafür zuständig, die Vorkommnisse auf Schloß Dracula richtig zu deuten ("Wir sind Gefangene." - "Graf Dracula hat keine Bediensteten."); als sie dann mehr und mehr Draculas Opfer wird, wandelt sich Jonathan wiederum zum Geisterjäger: "Zurück, Dracula! Oder das Kreuz verbrennt dich!" So schlagen sie den Grafen mit vereinten Kräften. Anders als in manchen Filmen wechselt Mina nach den gräflichen Bissen - trotz diverser Vertuschungsversuche ("Ich hab' mich mit einer Haarnadel verletzt.") - nicht die Seiten; da nutzen dem Grafen auch keine Hypnosetricks mehr ("Du sollst gehorchen!").
Was van Helsing versagt blieb, gelingt Mister Harker und Miss Murray nun im Alleingang: die Tötung Draculas und der Vampirbräute. In "Jagd der Vampire" waren die beiden einzig Erfüllungsgehilfen des Professors. Im "König der Vampire" brauchen Jonathan (durch die Umbesetzung von Michael Poelchau zu Günther Ungeheuer auch stimmlich hörbar gereift) und Mina ihren einstigen Übervater nicht mehr. Man möchte fast sagen, sie sind erwachsen geworden. (dl)
 
 
 

 

Eine Mail an mich?

Du willst einen Beitrag für den Almanach verfassen?


 

© Die Gruselseiten (22. Februar 2002)