Erzähler | |
Karl-Walter Diess Christian Rode Günther Ungeheuer Elke Reissert | |
Auch wenn es die Gruselserie nur auf 18 Folgen gebracht hat, kann sie für sich verbuchen, innerhalb dieser überschaubaren Kassettenansammlung vier (!) Erzähler verbraten zu haben, von denen einer (Rode) auch in der Klassiker-Ausgabe weiterhin in den Credits unter dem Teppich fällt. Die einzige Erzählerin kann aus der Ich-Perspektive ihrer "Werwolf"-Rolle nur sporadisch den traditionellen Hörspielposten des Erzählers belegen. Ein besonders schlauer Radiomensch hat einmal zu mir gesagt: "Das moderne Hörspiel braucht keinen Erzähler!" und auch wenn mir bewußt ist, daß viele dieser Aussage vielleicht beipflichten werden, soll dieser kleine Text eine Laudatio auf eben jene Sprecher sein, die uns das Geschehen in H.G. Francis' Gruselwelt bildlich veranschaulicht haben - speziell meine ich Günther Ungeheuer, der wie kein Zweiter für die verbal-kontinuierliche Atmosphäre innerhalb der ja hauptsachlich aus Einzelstückstories bestehenden Serie gesorgt hat. Aber zuerst ist ein anderer dran (und für die, die nicht so wie ich beim ersten Gedanken an die neongehüllten Bänder sogleich Ungeheuer im Ohr haben, eine kleine Frage: Was wären "Larry Brent" und "Macabros" ohne Günther Königs souveränen Erzähler gewesen, der mit "Hitchcock"-Pasetti und eben Ungeheuer für mich ein (leider komplett verstorbenes) Erzahlertrio bildet, das einem stimmlich immer in Erinnerung bleiben wird?)
Karl-Walter Diess
"Unser Bericht von der schicksalhaften Begegnung Frankensteins mit den Grafen Dracula beginnt in einem Gasthof", so eröffnet Karl-Walter Diess "Dracula und Frankenstein, die Blutfürsten" - ein Klassikersatz, fürwahr. Und ein mysteriöser noch dazu, teilen sich doch Dr. Cula und Dr. Stein in der folgenden Handlung keine einzige hörbare Szene!!! Hier haben wir also wirklich den "allwissenden Erzähler", der nicht nur standesgemäß aus der 3. Person mit einer gewissen Distanz über das Geschehen "berichtet" und genau weiß, was in den Köpfen der Personen vorgeht ("... also verschloß er die Augen vor der Gefahr und versuchte Eireen zu beruhigen"), sondern jemand von den Schlage, der zwar die ganze Story überschaut, es aber nicht für nötig hält, alles dem Hörer gegenüber auszuplaudern. Diess' Erzähler kennt die Auflösung des verworrenen Schlusses; er pfeift halt nur drauf, ihn uns zu erklären ... und wer ist eigentlich mit dem "uns" in "unser Bericht" gemeint? Die Leute vom "Daily Telegraph"? Schlicht die Macher? Fest steht nur, daß Diess ein Mitglied einer Gruppe repräsentiert, die dem ganzen Humbug den Anschein des "Seriösen" geben will; ansonsten hätte er statt "Bericht" einfach "unser Schwank" oder "unsere Mär/Story/etc." sagen können. Und doch glaube ich nicht so recht, daß er einer von den Zeitungsfritzen sein soll, denn er "berichtet" über die Vorkommnisse weder bemüht sachlich, noch sensationslüstern-engagiert, sondern in einem unverbindlichen Plauderton - fast so, als wolle er den kindlichen Hörern unterschwellig suggerieren: "Ist doch alles nich' soo schlimm, is' ja nur 'ne Gruselkassette" ... Aber ist dieser - sehr im Kontrast zu Ungeheuers Präsenz stehende - Stil Diess` zum Schaden der "Blutfürsten"?
Christian Rode "Die moderne Zeit ist in die Paradores eingezogen, doch manche Gemäuer haben sich ihre Geheimnisse aus finsterer Zeit bewahrt." Das klingt zwar wie aus dem Werbeprospekt des Hotels vorgelesen ("Kommen sie nach Carmona und drehen Sie ein paar lustige Tanzrunden mit den einheimischen Werwölfen und Vampiren!"), ist aber gerade deshalb ein passender Kontrast zu dem Schwanengesang auf die Fawleys (ich habe immer noch Schwierigkeiten, mir Ungeheuer beim Rezitieren derselben Zeilen für die Petersen-Version vorzustellen, aber vielleicht ist das nur eine Frage der Gewohnheit), den "Das Duell mit dem Vampir" anstimmt. Rodes Einsätze sind spärlich gesät. Eigentlich ist er nur einmal richtig düster ("... und die Klappe im Kamin klapperte immmer häufiger"), aber wie schon bei Diess ist das mehr ein Vorteil für ein Hörspiel mit Tom und Eireen. Seine "Li-La-Laune-Bär"-Tonlage harmoniert mit dem etwas kranken Einsatz von "Bobs Recherchen" als Schlußmusik in der Originalversion. Neben weiteren Rollen in EUROPA-Hörspielen hat sich Rode vor allem in der Synchronisation gutbetuchter, großkotziger Bösewichter verdient gemacht (u.a. in "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug", "Total Recall" und ... äh, "Geballte Ladung"). In der Gruselserie tritt er auch noch als (natürlich skeptischer) Sheriff in der "Monsterspinnen"-Folge auf, der nicht das Opfer derselben, sondern des wohl unvermeidlichen Schlußlachers wird ...
Günther Ungeheuer
Doch nun folgt endlich Günther Ungeheuer, der Peter Cushing des deutschen Gruselhörspiels, denn genau wie der Dauerdarsteller des Professor van Helsing in den Hammmer-Filmen war Ungeheuer stets ein Garant für stilsicheren Schauer innerhalb der Serie, selbst wenn von Folge zu Folge die restliche Sprecherbelegschaft wechselte: In 13 Episoden führt er uns durch Franciskowskys Horrorwelt - und das mit
ruhiger, angebracht geheimnisvoller Stimme. Wenn auch manchmal (aber sehr selten) ein leichtes Schmunzeln zu hören ist (wie bei seinem Schlußkommentar zur "Mörder-Mumie"), so fällt er doch nie aus seiner souveränen Rolle des seriösen "allwissenden" Erzählers. Hierin liegt auch der gravierenste Unterschied zu seinem ebenbürtigen Erzählerkollegen und Vornamensvettern Günther König, der engagiert so manchen Leidensweg eines Opfers in den "Larry Brent"- und "Macabros"-Hörspielen kommentierte (exemplarisch sei hier auf das Schicksal des Biologen Maruschka in Macabros Nr. 3, "Konga, der Menschenfrosch", hingewiesen, wo König die splattrige Umkehrung des
Versuchstier-Forscherverhältnisses auf eine so eindringliche Weise schildert, daß der Hörer meint, "ihm würden die Gedärme durchgeknetet"). Ungeheuer nähert sich den Figuren meist nur sachte - außer vielleicht bei Claudine in der "Todesratte": "Er begriff nicht, daß sie wirklich unter Angsten litt und er meinte, sie würde sich schon beruhigen", und bei Salaüns Weggefährten Martin: "... ohne ihn, weil er keine Lust gehabt hatte, ins vornehme Castle (Kastell? Selbst ein Günther U. verliest sich mal) mitzukommen, wo man ihm immer nur sagte, was er nicht tun dürfe". In den Frankreich-Episoden der Gruselserie (die ja auch in der Gegenwart spielen) erlaubt es Francis' Text dem Erzähler zwischen typisch allwissenden Geschehnisberichten und mehr persönlichen Betrachtungen zum Innenleben der Figuren zu wechseln, und so zittert man mit Claudine mit - nicht etwa wegen Donata Höffers duckmauserischer Interpretation der Professorenassistentin, sondern weil Ungeheuer wirklich diese dunkle Gestalt, "die sich mit der Geschmeidigkeit eines großen Tieres bewegte" in unseren Köpfen entstehen läßt! Auch für unseren 14jährigen Protagonisten in "Dem Monster auf der blutigen Spur" bringt Ungeheuer erstaunlich viel Symphatie auf - erstaunlich, wenn man seine Erzählerparts in den anderen Folgen damit vergleicht, denn tendenziell liegt Ungeheuers Stärke ja darin, daß seine Stimme wie ein vertonter Teil des Seriensettings wirkt; ihr bloßer Klang läßt uns bereits den tosenden Wind auf "Draculas Insel" um die Ohren sausen, ohne daß es einer so detaillierten Ortsbeschreibung bedürfte, wie sie in den Dan Shocker-Hörspielen von Kollege König so bildreich zum Besten gegeben wurde ...
Elke Reissert
Bliebe da noch die vierte und einzige weibliche Erzählerstimme dieser Runde - Elke Reissert alias "Engelchen" - die auch sonst einen willkommenen Ausnahmestatus innerhalb der Serie für sich beanspruchen kann, dank einer klugen Drehbuchvorlage zu "Die tödliche Begegnung mit dem Werwolf", die den "Ich"-Erzählerpart zu einer der wenigen wirklich überraschenden Handlungswendungen in der Reihe schon gemein einsetzt. Zunächst mal wären da die Tonbandaufnahmen Veras, die schnell klarmachen, daß die gruselige Geschichte schon innerhalb des Hörspiels auf zwei verschiedenen Zeitebenen abläuft (und gen Ende, wo sich der Kreis schließt, praktisch wieder von vorne losgeht). Reisserts/Veras "Ich" ist das Herzstück dieser Kassette, ein schwarzes Herz, was der Hörer nicht früher erfährt als er muß: Ohne die Wahrheit in ihren Aufzeichnungen zu verdrehen, lenkt Veras Text unsere Vermutungen über den weiteren Verlauf der Story in eine ganz andere Richtung. Wir spüren/hören, daß Engelchen es ehrlich mit uns bzw. dem Kommissar meint, denken aber doch fälschlicherweise automatisch, daß hier eine Frau resigniert beichtet, wie sie trotz aller Liebe und Vorsicht die Kontrolle über ihren sich zunehmend monströser entwickelnden Ehemann Henry verliert und nun in der Retrospektive zu erklären versucht, wie es zu dessen Amoklauf als Werwolf kam, den der Hörer sich schon nach fünf Minuten in den dunkelsten Farben auszumalen beginnt. Hier kann also von der ungeheuerischen Distanz zu Figuren nun überhaupt nicht die Rede sein, denn die Erzählerin sitzt mitten im brodelnden Hexenkessel der Geschehnisse, ist in Wirklichkeit gar ihr Katalysator, so daß ihr gar keine Luft für ironische Untertöne oder Zwischenbemerkungen bleibt, wie es ihr das Wissen um den Fortlauf der Mär ja sonst erlauben würde. |
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© Die Gruselseiten (25. Mai 2000)